Soziale Gerechtigkeit

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Kranken­versicherung: Wer reich ist, zahlt weniger

In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gibt es einen sozialen Ausgleich. Wer mehr Einkommen hat, zahlt mit für die, die wenig Einkommen haben. Diese Unterstützung ist sinnvoll, da ansonsten viele ohne Krankenversicherung dastehen würden.

Wo ist das Problem?

Das Problem liegt darin, dass die Unterstützung nur von mittleren Einkommensbeziehern gezahlt werden muss. Wer gut verdient, braucht keine Unterstützung zu zahlen. Ab einem monatlichen Einkommen von ca. 4700 €[1] darf eine Krankenversicherung gewählt werden, die keinen sozialen Unterstützungsbeitrag zahlen muss, nämlich die private Krankenversicherung (PKV). Wer weniger verdient darf nicht wählen. Er kann zwar durch Zusatzversicherungen den Komfort erhalten, den auch private Krankenversicherungen bieten können (z.B. Chefarztbehandlung), muss aber weiterhin den Unterstützungsbeitrag für sozial Schwache zahlen.

Wieviel Geld sparen gut Verdienende?

Der Unterstützungsbetrag, den mittlere Einkommen zahlen, ist beträchtlich. Bereits ab ca. 2000 € Brutto-Monatseinkommen [2] muss ein Mitglied der GKV mehr als der Durchschnitt zahlen. Für Versicherte, die den Höchstbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung zahlen müssen (ab Brutto-Monatseinkommen von ca. 4238 € im Jahr 2016)[5], beträgt der Unterstützungsbetrag etwas über 4200 € im Jahr.

Berechnung des Unterstützungsbetrages ... mehr
Der Unterstützungsbetrag lässt sich in etwa folgendermaßen abschätzen: Pro zahlendem Mitglied erhält die GKV (gesetzliche Krankenversicherung) durchschnittlich 306 € im Monat.[3] Würden alle gleichviel zahlen, dann wäre dies der Betrag, der von jedem zahlenden Mitglied übernommen werden muss. Demgegenüber steht der Höchstbeitrag von 661 €, den Personen mit monatlichem Brutto-Einkommen ab ca. 4237 € zahlen müssen. Das sind 355 € Unterstützungsbeitrag pro Monat bzw. ca. 4260 € im Jahr.[6]
Das ist jedoch noch nicht alles. Die GKV muss auch die versichern, die von der PKV (privaten Krankenversicherung) ablehnt werden, weil sie bereits vor Versicherungsbeginn eine Vorerkrankung haben, von der zu erwarten ist, dass sie zu hohen Krankheitskosten führt. [7]

Wer wird belastet?

Belastet werden nicht nur Besserverdienende. Es werden auch Familien mit mittlerem Einkommen teilweise stark belastet. Beispielsweise ist für eine vierköpfige Familie, in der nur einer verdient, ein monatliches Brutto-Einkommen, von dem Steuern und Versicherungen abgehen) von etwas mehr als 4300 € keinesfalls hoch. Dennoch muss diese Familie den maximalen Unterstützungsbetrag von über 4200 € im Jahr zahlen.

Familien haben natürlich auch einen großen Vorteil, da nicht verdienende Familienmitglieder kostenfrei mitversichert sind. Daher kann man als Beispiel auch den gut verdienenden gesunden kinderlosen Single (Mitte 30) nehmen. Nehmen wir an, zwei dieser Singles arbeiten in der gleichen Firma. Der erste verdient durchschnittlich 4300 € brutto, und der zweite 5300 € pro Monat. Der weniger Verdienende muss den Unterstützungsbeitrag von über 4200 € zahlen, der andere nicht.

Worin besteht die Ungerechtigkeit?

An den Beispielen wird klar: Mittlere Einkommen bis ca. 4700 €[1] müssen einen hohen Unterstützungsbeitrag für sozial Schwächere zahlen. Höhere Einkommen brauchen diesen Beitrag nicht zahlen. Mit anderen Worten:

Wer mehr verdient, muss weniger an Abgaben zahlen. Das widerspricht sicherlich dem Gerechtigkeitsempfinden der großen Mehrheit aller Menschen.

Für eine demokratische Gesellschaft ist dieser Zustand ein Unding und gehört so schnell wie möglich abgeschafft.

Gibt es eine einfache Lösung?

Die Lösung, die sich direkt aufdrängt, ist sehr einfach. Die Zahlung des Unterstützungsbeitrages für sozial Schwächere hängt nicht davon ab, in welcher Krankenkasse man versichert ist, sondern hängt nur vom Einkommen ab. Das heißt, sozial Stärkere, die als Versicherung die private Krankenversicherung gewählt haben, zahlen auch diesen Unterstützungsbeitrag.

Die Umsetzung wäre relativ einfach möglich: Für Angestellte könnte der Abzug dieses „Unterstützungsbeitrags“ direkt mit der Gehaltsauszahlung erfolgen. Damit ändert sich für gesetzlich Versicherte nichts. Privat Versicherte würden je nach Einkommen entweder einen zusätzlichen Beitrag zahlen oder einen Zuschuss erhalten.

Welche Vorteile hat diese Lösung?

Der deutlichste Vorteil ist, dass die gravierende Ungerechtigkeit abgeschafft wird, dass Personen nur deshalb keinen sozialen Unterstützungsbeitrag zahlen müssen, weil sie mehr Geld verdienen als andere.

Warum wurde diese Ungerechtigkeit noch nicht abgeschafft?

Darüber lässt sich spekulieren. Vermutlich ist jedoch einer der wichtigsten Gründe, dass viel zu wenig bekannt ist, dass diese Ungerechtigkeit besteht und für mittlere Einkommen ein so hohes Ausmaß hat.

Was fehlt noch?

Die Gemeinschaft der gesetzlich Versicherten muss bisher nicht nur die geringer Verdienenden unterstützen, sondern zahlt auch einen Großteil der hohen Behandlungskosten für chronisch Kranke, die ihre Krankheit in einem frühen Lebensstadium erworben haben. Diese Personen werden bisher von den privaten Krankenkassen nicht versichert.

Es ist sicherlich nicht sozial gerecht, wenn die Bezieher hoher Einkommen bei der Finanzierung dieser Gruppe ausgenommen werden. Auch hier muss sich dringend etwas ändern.





Anmerkungen und Quellen:

[1] Die Versicherungspflichtgrenze für das Jahr 2016 beträgt 4.687,50 € pro Monat. Für Einkommen über diesem Beitrag kann eine PKV gewählt werden.
Quelle: www.tk.de/tk/freiwillige-pflichtige-krankenversicherung/freiwillig-pflichtig-versichert/versicherungspflichtgrenzen/345798 (Techniker Krankenkasse, 29.6.2016).

[2] Schätzungen für 2016: „Rechnerisch ergeben sich auf Grundlage dieser Schätzung voraussichtliche durchschnittliche beitragspflichtige Einnahmen von 1.959,68 Euro je Mitglied und Monat.“
Quelle: www.bundesversicherungsamt.de/fileadmin/redaktion/Risikostrukturausgleich/Schaetzerkreis/20151102_Schaetzerkreis_2016_Abschlussbericht_Endfassung.pdf

[3] Berechnung des monatlichen Beitrags bei durchschnittlichen beitragspflichtige Einnahmen von 1.959,68 (siehe [2]) bei einem Beitragssatz von 15,6 % (z.B. bei Techniker Krankenkasse, siehe [4]): 15,6% * 1959,68 € = 305,71 €.

[4] Beiträge für Techniker Krankenkasse für das Jahr 2016: Krankenversicherungsbeitrag von 14,6% und Zusatzbeitrag von 1,0%, Höchstbeitrag pro Monat: 661,06 €.
Quelle: www.tk.de/centaurus/servlet/contentblob/785810/Datei/157299/Beitragstabelle-2016.pdf.

[5] Die Beitragsbemessungsgrenze für 2016 beträgt: 4.237,50 EUR
Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Beitragsbemessungsgrenze.

[6] Abschätzung des maximalen Unterstützungsbeitrags: (4.237,50 € - 1959,68 €) * 15,6% = 355,34 € pro Monat. Im Jahr sind das 4264 €. (Beitragsbemessungsgrenze: 4237,50 €[5], durchschnittliche beitragspflichtige Einnahmen: 1959,68 €[2], Beitragssatz: 15,6%[4]).

[7] Die Ungerechtigkeit ist sogar noch größer als im Beitrag beschrieben, da private Krankenversicherungen (PKV) Personen ablehnen können, die Vorerkrankungen haben, die vermutlich für die Krankenkasse teuer werden könnten. Daher ist die PKV ein Kreis von ausgesuchten Personen, für die nicht so viele Kosten zu erwarten sind. Die Mitglieder der PKV müssen nur die Kosten für diesen ausgesuchten Kreis bezahlen. Hingegen müssen die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für alle Personen, die in die Krankenkasse wechseln, insbesondere auch für die, die von der PKV abgelehnt werden, übernehmen.