Soziale Gerechtigkeit

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Wohnen: Verdeckte Subventionen für Reiche

Als „Abschreibung“ getarnte Geldgeschenke für Vermieter

Wohnen wird mit Milliardenbeträgen subventioniert. Diese Subvention ist verdeckt, denn sie wird nicht als Subvention benannt, sondern erfolgt unter der irreführenden Bezeichnung „Abschreibung“. Diese Subvention erhalten nur Vermieter. Besitzer, die selber in der Immobilie wohnen, erhalten keine Subvention.
Warum ist die sogenannte „Gebäudeabschreibung“ keine Abschreibung sondern Subvention? ... mehr
Es handelt sich hier um Subventionen, da Wohnimmobilien in der Regel keinen Wert verlieren, sondern eher eine Wertsteigerung erfahren. Über Instandhaltungsarbeiten lässt sich erreichen, dass eine Wohnimmobilie keinen Wert verliert, sondern häufig sogar über die Jahre einen deutlichen Wertzuwachs erfährt. Vermieter können Instandhaltungsarbeiten steuerlich abschreiben. Eine steuerliche „Absetzung für Abnutzung (AFA)“ ist daher für Wohnimmobilien nicht gerechtfertigt.
Die Höhe der Subvention (also des Geldgeschenkes vom Staat an den Vermieter) ist beträchtlich. Selbst bei nur mäßig hohem zu versteuerndem Einkommen liegt die Subvention für den Vermieter einer einzelnen Wohnung oder eines Hauses leicht bei 2000 € pro Jahr oder mehr.
Wie lässt sich die Höhe der Subvention berechnen? ... mehr
Beispiel: Berechnung der Subvention für eine unverheiratete Person mit zu versteuerndem Einkommen ab 54000 € und einer vermieteten Immobilie, deren Kaufwert (ohne Grundstück) 250000 € beträgt. Ab diesem Einkommen gilt für einen unverheirateten Steuerzahler ein Grenzsteuersatz von 42% [1]. Vom Kaufwert der Immobilie können pro Jahr 2% steuerlich abgesetzt werden [2]. Für die Berechnung der Subvention muss daher der Betrag, der abgesetzt wird, mit dem Faktor 0,42 (= 42 %) multipliziert werden. Bei einem Immobilienwert von 250000 € beträgt die Subvention pro Jahr daher: 250000 € * 2% * 0,42 = 2100 €.

Soziale Gerechtigkeit beim Wohnen bleibt auf der Strecke!

Eigentlich könnte man jetzt denken: Es ist doch schön, wenn der Staat Geldgeschenke verteilt. Das ist natürlich auch schön. Das Problem dabei ist aber die Art der Verteilung der Geschenke. Diese ist extrem unsozial:
Je reicher man ist, d. h. desto mehr Wohnungen man bereits hat und vermieten kann, desto mehr Geld bekommt man vom Staat geschenkt.

Gibt es Gründe für die unsoziale Verteilung der staatlichen Subventionen?

Es gibt sicherlich Gründe, z.B. dürfte ein wesentlicher Grund die gute Lobbyarbeit der Wohnungsbesitzer sein. Die kritische Frage ist aber: Gibt es einen gesellschaftlich sinnvollen Grund?

Für die Befürworter dieser Art der Subvention gibt es eigentlich nur ein Hauptargument: Ohne die bestehende Subvention würden zu wenig Mietwohnungen gebaut und die Wohnungsnot würde weiter ansteigen.
Es ist fraglich, ob diese Art der Argumentation zutrifft.
Gründe, warum der Mietwohnungsbau kaum unter dem Wegfall der „Abschreibungs-Subvention“ leiden wird: ... mehr
  • Wesentlich entscheidender als die Höhe der Subvention ist das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. (Das sieht man daran, dass in ländlichen Gegenden mit wenig Nachfrage die Miete weitaus geringer ist als in Ballungsgebieten mit hoher Nachfrage.)
  • Der jetzige Bauboom, der wesentlich von günstigen Kreditzinsen (und einem Fehlen von Anlagealternativen für Kapitalanleger) ausgelöst ist, hat nicht dazu geführt, dass Mietpreise in Ballungsgebieten günstiger werden.
  • Subvention an Vermieter wirkt vergleichbar wie günstige Kreditzinsen. Dadurch rentiert sich Bauen oder Renovieren auch bei sehr hohen Kosten. Da in Ballungsgebieten Grundstücke einen Engpass darstellen, steigt primär deren Preis, denn durch Subventionen und günstige Kredite sind auch sehr teure Objekte noch verkäuflich. Ähnliches gilt für die Leistungen der Baufirmen.
  • Man kann sagen: Durch das viele Kapital, dass in den Wohnungssektor fließt, werden die Wohnungen in den Ballungsgebieten erst einmal teurer. Denn das Kapital muss irgendwohin und es fließt dann u.a. in die Sanierung (u.a. auch Luxussanierung) von Wohnungen. Dadurch werden diese Objekte spürbar teuer.
Auch wenn man davon ausgeht, dass es einen gewissen Rückgang des Mietwohnungsbaus gibt, dann wird das jedoch keinesfalls heißen, dass der Wohnungsbau zurückgeht oder die Wohnungsversorgung schlechter wird. Hier gibt es eine ganz einfache Lösung, die dem entgegensteuert.

Die Alternative: Mehr Wohnungen durch soziale gerecht aufgeteilte Subvention

Absolut notwendig für eine sozial gerechtere Subvention ist, dass die Subvention breiter als bisher verteilt wird. Es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, dass eine sozial gerechte Aufteilung der Subventionen wesentlich effektiver den Wohnungsbau fördert, als die bisher sozial ungerechte Verteilung. Der Vorschlag ist:

Die Subvention des Mietwohnungsbaus entfällt. Stattdessen erhalten Selbstnutzer nach Kauf einer Immobilie pro Jahr ca. 1 Prozent der Kaufkosten 30 Jahre als Subvention

Zu erwarten ist, dass hierdurch nicht nur viel mehr selbstgenutzte Wohnungen gebaut werden, sondern auch eine Entspannung der Mietpreise erfolgt. Dafür gibt es einen einfachen Grund: der Erwerb von Wohnungen zur Selbstnutzung viel attraktiver als Mieten sein wird. Dadurch sinkt die Nachfrage nach Mietwohnungen deutlich und damit sinken die Mietpreise.

Diese Art der Subvention bietet zudem die Möglichkeit, eine Reihe von Zusatzmaßnahmen umzusetzen, mit denen der Wohnungsbau in weitaus größerem Maße angeregt wird als durch die bisherige Subvention, die nur Vermieter begünstigt.
Zusätzliche Maßnahmen zur Anregung eines Wohnungsbaubooms ... mehr
  • Die Subvention könnte für Neubauten etwas höher liegen als für Altbauten (z.B. 1,25% vs. 0,75%). Dies würde sich als zusätzliche Förderung von Neubauten auswirken, weil dadurch vermehrt Neubauten gekauft würden.
  • Durch staatliche Sonderkredite kann das Bauen auch für Personen oder Familien ohne Eigenkapital ermöglicht werden.
  • Kommunale Baugrundstücke könnten speziell für Eigennutzung deutlich vergünstigt werden.
  • Bauunterstützung für Personen, die mit dem Kauf einer Wohnung überfordert wären, so dass der Kauf für diese Personen nicht schwieriger ist, als eine Wohnung zu mieten.
  • Vollfinanzierung von Wohnungen über kommunale oder staatliche Kredite, sofern die monatliche Belastung (einschließlich Rückzahlung und Rückstellungen) nicht höher ist als der Betrag, den das Sozialamt für diese Wohnung an Mietzuschuss bei Belegung mit Sozialhilfeempfängern zahlen würde.

Vorteile einer gerechteren Subvention beim Wohnungsbau

Wenn nur Selbstnutzer und nicht Vermieter beim Kauf einer Immobilie Subventionen erhalten, so hat dass eine Reihe von gesellschaftlich wichtigen Vorteilen. Dazu gehören:
  • Es können sich wesentlich mehr Menschen eine Eigentumswohnung leisten.
  • Es werden weniger Luxuswohnungen und deutlich mehr Standardwohnungen gebaut.
Der Grund für den zweiten Punkt ist: Die Mehrzahl derer, die sich erst durch die sozial gerechte Subvention eine Wohnung kaufen können, werden Wohnungen kaufen, die nicht im oberen Preissegment liegen. Durch den Wegfall der Vermietersubvention sinkt gleichzeitig der Anreiz zur Luxusmodernisierung.

Gravierende gesellschaftliche Vorteile

Durch eine sozial gerechtere Subvention wird es in der Regel deutlich günstiger sein, Wohnungen zu kaufen als zu mieten. Werden zusätzlich noch Hilfestellungen gegeben, damit Personen, die mit Finanzabwicklungen überfordert sind, beim Kauf einer Wohnung wirkungsvoll unterstützt werden, und wird durch öffentliche Garantien ermöglich, auch ohne Eigenkapital zu bauen, dann wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Folgendes gelten:
  • Nahezu alle, deren Einkommen so hoch ist, dass sie keine Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen, werden sich eine Eigentumswohnung leisten können. Die Eigentumswohnung wird dabei in der Regel mindestens den Standard der Wohnung haben, die zuvor nur gemietet wurde.
  • Die Zahl der Sozialhilfeempfänger im Alter wird drastisch zurückgehen. Das gesellschaftliche Problem einer drohenden Altersarmut wird für einen großen Anteil der Bevölkerung gelöst sein. Die Gefahr der Altersarmut ist für alle, die eine Wohnung besitzen, wesentlich geringer als für die, die im Alter zur Miete wohnen.
Es ist zu erwarten, dass die aktuellen Kosten für den Staat oder die Kommunen nicht steigen, sondern nur anders verteilt sind. Die gesellschaftlichen Gesamtkosten werden in den nächsten Jahrzehnten durch die Verringerung des Anteils der Sozialhilfeempfänger aber spürbar zurückgehen.
Letztlich wird eine sozial gerechtere Wohnungsbausubvention zu weniger Armut, einer gleichmäßigeren Eigentumsverteilung und einer spürbar höherer Zufriedenheit unter den Menschen führen.

Anmerkungen und Quellen:

[1] Grenzsteuersatz: Bereits bei einem zu versteuernden Einkommen von ca. 54000 € (für Alleinstehende) wird ein Grenzsteuersatz von 42 % erreicht. Der Grenzsteuersatz gibt an, zu wieviel Prozent ein Zuverdienst zum bestehenden Einkommen versteuert werden muss. Entsprechend gibt dieser Prozentsatz auch an, wieviel Prozent erstattet wird, sobald ein Betrag vom Einkommen steuerlich abgesetzt werden kann.
Quelle: www.sozialpolitik-aktuell.de - Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen: Einkommensteuertarif 2015: Grenz- und Durchschnittssteuersätze www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Finanzierung/Datensammlung/PDF-Dateien/abbIII21a.pdf

[2] siehe beispielsweise den Abschnitt „Abschreibung bei Wohnimmobilien“ in Wikipedia: de.wikipedia.org/wiki/Abschreibung.